ZORAN POPOVIC, VOM TRAUMA DES KOLLEKTIVISMUS ZUM GLUCKLICHEN ICH
Bojana Pejic, Moment, Nr. 15, Zeitschrift fuer Visuelle Medien, Belgrad, 1989
Zoran Popovic kann oder will sich nicht mit der Vorstellung abfinden, dass ein Künstler als privilegierte Person dazu berufen ist, die Aura des Kunstwerks zu erhalten (Schicksal und Entscheidung sind hier tief miteinander verflochten). Diese Einstellung, die ich als Bedürfnis nach erweiterter Anwesenheit bezeichnen möchte, hat Dragica Vukadinovic in einem Text als „Slawischen“ Drang nach `endgültiger´ Versöhnung zwischen Kunst und Leben“ formuliert. In seinem Wunsch nach Versöhnung, wendet Popovic keine direkten, sondern „auf Umwegen“ mäandernde Strategien an. Neben zahlreichen anderen Künstlern seiner radikalen Generation, hat er in den siebziger Jahren aktiv daran teilgehabt, „Kunst in die Gesellschaft“ zu tragen - ein Projekt, das man mit den Worten von John Falls kurz als „to confuse progress with happyness“ bezeichnen könnte. Den Übergang von der modernen „Diktatur“ in eine postmoderne Menschlichkeit, in der das Subjekt dem Objekt gegenüber gleichgültig ist, erlebte Popovic als seine persönliche (künstlerische) Krise, hauptsächlich deshalb, weil die achtziger Jahre der polizentristischen Kunst eine gewisse Legitimität verliehen hatten. Der Weg, den dieser Künstler beschritt, reicht (Vatimo hätte dazu gesagt „hat sich verzweigt“) von Wittgenstein bis Barthes, vom Trauma des Kollektivismus zum (glücklichen) Ich, vom „harten Subjekt“ („Struggle in New York-Borba u Njujorku“, 1976) zum „weichen Subjekt“ („Pleasure in Drawings“, 1979).
Während zahlreiche zeitgenössische Künstler, die eine „konzeptuelle Vergangenheit“ haben, heute (über)große und (über)materialisierte Objekte machen, schlägt Popovic die Richtung der Immaterialisierung ein. Seine Zeichnungen mit dem Titel Satisfaction in Drawings, welche erotische Ansichten oder Personen darstellen, sind gekennzeichnet durch gefühlvolle und „weiche“ Striche und Linien. Sie verbergen die Darstellung eher, als sie zu enthüllen und heben die Personen und Szenen von der Oberfläche ab, statt sie mit ihr zu verbinden. Hierin sind Popovic´s Zeichnungen vergleichbar mit der Bündigkeit eines Matisse oder dem Nerv eines Picabia, Cocteau oder Duchamp. Diese frühen Zeichnungen waren ein Schritt in Richtung der Arbeiten des Lustgarten (1989): Zeichnungen, die - ähnlich wie Cartoons -, mit Tusche und Feder auf Pergamentoberflächen aufgebracht sind. Die Darstellungen sind hier zu „streng kontrollierten Vorstellungen“ geworden, die nach den Worten des Künstlers durch das Verfahren einer „Montage von Attraktionen“ entstehen/verschwinden, sich treffen/trennen und eine Geschichte aus Fragmenten erzählen. Die Darstellungen entstammen dem kollektiven europäischen Kunstgedächtnis, aus dem sie wie Blitze hochschießen – ähnlich wie Dias (Axiome, 1972, Typomaschinist Miodrag Popovic: vom Leben, von der Arbeit und der Freizeit, 1977 oder Erotische Zeichnungen, 1980-1987) oder Filmbilder (Pretty Good, 1973 oder I Never Promised You an Avant-Garden, 1980). Und die Szenen mit erotischen oder märchenhaften Geschöpfen, die aus einer (cartoon-artigen) Kythera oder einem (gefilmten) Arkadien zu stammen scheinen, sind sowohl Gesamtbild als auch Fragmente von Zeichnungen. Die Irrealität der Arbeit setzt in dem Augenblick ein, in dem die eine Grundbedingung des Sehens erfüllt ist: Licht (Bildschirm oder Projektorlicht). Jedes Bild, das seine Wirkung auf Licht gründet (in der Vergangenheit die Glasmalerei und heute das Film- oder Diabild) bekommt zwingend die Eigenschaft einer Membran: Grenze/Verbindung zwischen der Realität und der Immaterialität. Beograd 1989
Moment, Nr. 15, Zeitschrift fuer Visuelle Medien, Belgrad, Juli - September 1989;
Sektion ‘Visuelle Kunst in Belgrad’,
Bojana Pejic: Aktuell: Oldtimer (unter diesem Titel schrieb Bojana Pejic einen besonderen Artikel ueber jedes Mitglied der Informellen Gruppe von Sechs Kunstlern: Marina Abramovic, Era Milivojevic, Nesa Paripovic, Zoran Popovic, Rasa Todosijevic und Gera Urkom).