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22.02.2022 | 22:06

Jovana Tomić: Das Leben, beschränkt auf Arbeit und Sorgen

Jovana Tomić: Das Leben, beschränkt auf Arbeit und Sorgen

Die Regisseurin Jovana Tomić, Empfängerin der Auszeichnung „Bojana Stupica“ für die Regie des Theaterstückes „Bewegung“ (Kretanje) in der Produktion des Bitef-Theaters, sagt im Interview für SEEcult.org, dass es im heutigen Theater wenig Raum für junge und nicht affirmierte Talente gibt, die sich mit viel Geduld und Hartnäckigkeit rüsten müssen, um nicht ihre Wünsche, Prioritäten und Affinitäten aufzugeben. In Bezug auf die Pandemie bemerkt die Regisseurin der Theaterstücke „Mein Mann“, „Cabaret Nušić“, „Eine Wiese voll Dunkelheit“, „Middlesex“, das die menschliche Existenz auf Arbeit und Sorge um Familie und Mitmenschen beschränkt ist. Am schlimmsten ist, dass wir uns daran gewöhnt haben.

„Die Epidemie hat uns alle – ob jung oder alt – auf die Sorge für unsere Familie und Mitmenschen beschränkt, die krank sind, sowie auf unsere Arbeit. Alle anderen Aktivitäten sind wegen dem Corona-Risiko entweder entbehrlich oder sie sind nicht zugänglich. Letztendlich stellt es kein Vergnügen dar, in konstanter Sorge wegen der Epidemie eine Reise zu unternehmen. Wenn sich die menschliche Existenz auf Arbeit und Sorgen beschränkt, ist das wirklich deprimierend. Am schlimmsten ist, dass wir uns auch daran gewöhnt haben“, führte Jovana Tomić an.

Im beruflichen Sinne war dies für sie eine sehr bedeutende Zeit.

„Krisensituationen sind ein Test, der darauf hinweist, wer eigentlich bei uns bleiben soll und will und umgekehrt. Die Epidemie war stressig, aber auf persönlichem Plan war das eine sehr bedeutende Zeit für mich. Im Theater habe ich paradoxerweise alle Projekte realisiert, unter schweren Bedingungen, mit zahlreichen Verschiebungen, aber ich hatte Glück“, fügte sie hinzu.

Photo: Vukica Mikaca

Jovana Tomić ist der Meinung, dass die institutionellen Theater in diesen zwei Jahren gut gekämpft haben, um die Repertoires am Leben zu erhalten. Sie ist ebenfalls der Meinung, dass das Kulturministerium nichts Bedeutendes getan hat und schlägt ihm deshalb vor, sich endlich mit seiner Arbeit zu beschäftigen.

„Ich schlage vor, dass sie sich endlich mit ihrem Arbeitsbereich beschäftigen, weil sie sich an der Periferie der Staatsinteressen befinden, was in bezug auf die Struktur der staatlichen Behörden verständlich und erwartbar ist und deshalb Ratschläge nicht hilfreich sind“, schätzte sie ein.

Jovana Tomić sieht die Gesellschaft in Serbien als konservativ, patriarchal und machohaft, die Opfer verhöhnt und Gewalttäter glorifiziert. Es scheint ihr, dass noch viel Zeit, Mühe, Arbeit und Kampf benötigt werden, um Dinge vom toten Punkt zu bewegen.

„Es ist das Bild von uns, eines kleinen Landes mit provinzialischen Menschen, dass so arm ist, dass der Preis einer Theaterkarte für die Mehrheit der Einwohnerschaft zu hoch ist“, führte Jovana Tomić an.

Mit ihrer Bemerkung, dass Serbien ein armes Land ist, in dem der Preis einer Theaterkarte für die Mehrheit der Bewohner zu hoch ist, beurteilte Jovana Tomić, dass die Themen, die an Menschen adressiert werden, die das Theater nicht besuchen, eine Art Selbstgenügsamkeit der Autoren, eine Fetischisierung der Arbeiterklasse sind, was heute im Kontext der linken politischen Richtungen ziemlich populär ist.

„Wenn die Messerklinge auf die Theaterklientel zeigt, werden allemal taboo Themen eröffnet, aber man muss dabei autokritisch sein, weil dieser Gruppe gemeinhin auch wir als Autoren angehören“, fügte Jovana Tomić hinzu.

Ihrer Meinung nach hat jeder seine individuellen Kampffelder, die in größeren Gruppen manchmal sichtbar sind, bei Protesten zum Beispiel. Es gibt aber auch diejenigen, die für die Öffentlichkeit unsichtbar sind, was nicht bedeutet, dass sie nicht existieren. „Generalisierungen sind gefährlich. Es gab seit jeher Salonanarchisten, aber auch Menschen, die Dinge verändern. Die Anzahl der Positionen zwischen diesen beiden Extremen ist groß und das Thema ist komplex“, fügte Jovana Tomić hinzu.

*Das ganze Interview (in serbischer Sprache) ist auf diesem Link zugänglich

(SEEcult.org)

Gefördert mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung 2021 des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, des Goethe-Instituts und weiterer Partner, www.goethe.de/hilfsfonds

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