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19.02.2022 | 22:27

Tibor Varadi: Eine versäumte Chance für den menschlichen Nationalismus

Tibor Varadi: Eine versäumte Chance für den menschlichen Nationalismus

Der Akademiker Tibor Varadi, Professor für internationales Recht und Autor von dokumentaristischen Büchern, schätzt die Zeit der Pandemie als Zeit der Ungewissheit ein, deren Ende nicht zu erahnen ist. Die Pandemie, wie Varadi in seinem Interview für SEEcult.org anführt, bestätigt seine These, dass es nicht leicht ist, das Recht auf das alltägliche Leben zu garantieren, dass eigentlich ein Menschenrecht darstellen sollte.
Varadi ist der Meinung, dass die Pandemie eine versäumte Chance darstellt, einen „menschlichen Nationalismus“ hervorzubringen.

„Ich glaube, dass Covid-19 eine Chance für einen ´menschlichen Nationalismus´ war, aber bislang hat er es nicht geschaftt, die Prioritäten umzugestalten. Das ist auch gar nicht leicht. Was wäre, wenn anstatt des Rüstungswettlaufs - der überall, so auch in Serbien, immer neue Erfolge verzeichnet (da wir im Jahr 2021 Kroatien überholt haben) – oder, sagen wir, anstatt des militärisch-kommunikativen Zirkuses an der ukrainischen Grenze – Aufmerksamkeit und Geld auf die Pandemie gerichtet wären. Die großen Verlierer wären NATO, die russische und viele andere Armeen. In besonderem Maße wären die Verlierer die führenden Köpfe, inklusive der Politiker. Wir haben uns schon im größten Maße daran gewöhnt, dass Heldentum durch Konfrontation, nicht durch Zusammenarbeit entsteht. Den militärischen und politischen Führern würde es nicht so leicht fallen, sich mit den neuen Maßnahmen zurecht zu finden. Nicht vergessen werden sollte auch der Umstand, dass es bei uns schon seit dreißig Jahren, in Europa und Amerika schon viel länger, keinen Krieg gab ... Und da sind auch die persönlichen Interessen. Ich glaube, dass das Spiel größtenteils gerade von diesen Interessen geleitet wird – und nicht von geopolitischen Interessen, wie es immer betont wird. Vor einigen Jahren waren wir Zeugen eines Einflusskriegs zwischen Russland und dem Westen darüber, ob Montenegro Mitglied der NATO wird. War das ein Konflikt tatsächlicher Interessen oder ein Konflikt von Heldenkandidaten? Wären Berlin und Paris sicherer, nachdem sich Podgorica in eine NATO-Stadt verwandelt hätte; wäre Moskau sicherer, wenn sich NATO nicht auf Podgorica ausbreiten würde? Oder handelt es sich um einen Wettlauf von Funktionären, die mit mit Hilfe von Einfluss operieren? Wie für Biden so auch für Putin ist es viel leichter, ein Held zu sein, indem sie gegeneinander nationale Interessen verteidigen. Wenn die Gefahr nicht groß genug ist, um Heldentum zu rechtfertigen, können Dinge auf dem Wege der Kommunikation intensiviert werden. Ein ´menschlicher Nationalismus´ wäre ein viel unsicherer Schauplatz für Oberhäupter“, führte Varadi an.

Harvard-Doktorand und beliebter Professor von Studenten der Universitäten Berkley, Emory, Cornell, der Zentraleuropäischen Universität in Budapest, der Juristischen Fakultät in Novi Sad, Redakteur der berühmten Zeitschrift „Uj Symposion“ in Novi Sad, später auch Mitarbeiter der namhaften „La Revue de l´arbitrage“, bemerkt, dass die Fabrizierung von Wirklichkeit zu einem Beruf geworden ist.

„In der Zeit der Verzauberung in Kriegs- und Nachkriegsjahren gelangt man zu einer parallelen Realiät auf den Flügeln der Entzückung. Heute ist die parallele Realität nicht kostenlos zu bekommen. Sie muss fabriziert werden und das ist heute ein Beruf geworden. Was es die Muster der parallelen Realiäten betrifft, ich glaube, dass sie Ähnlichkeiten haben, egal wie und wann sie entstehen. In Schriften aus Nachkriegsjahren sind diese Muster klar zu erkennen. Vielleicht können sie behilflich sein, vielleicht kann man darin auch zeitgenössische Muster erkennen“, sagte Varadi, der seinerzeit Serbien (davor die Bundesrepublik Jugoslawien und Serbien und Montenegro) vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vertreten hat.

*Das ganze Interview (in serbischer Sprache) ist auf diesem Link zugänglich.

(SEEcult.org)

Gefördert mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung 2021 des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, des Goethe-Instituts und weiterer Partner, www.goethe.de/hilfsfonds

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